Der Flughafen von Port-au-Prince ist ziemlich klein. Da wir eigentlich nicht in der Hauptstadt bleiben wollen, betreten wir die einzige Touristeninfo im Gebaeude. Die Ladies dort sprechen ein bisschen englisch, Gott sei Dank. Aber leider ist es nicht einfach, genaue Informationen zu bekommen. Es gibt hier einfach keine Touristen. Alle Weissen, die wir sehen, sind Mitarbeiter einer Mission oder Hilfsorganisation. Und die nehmen sich die teuren Taxis. Wir wollen eigentlich nach Jacmel, im Sueden des Landes. Das sind 80km, das Taxi dorthin kostet 100 US Dollar. Es gibt auch oeffentlich Busse, aber wir wissen nicht, ob sie auch wirklich sicher sind. Wir bekommen die unterschiedlichsten Antworten, die Mehrheit raet uns aber davon ab. Haiti ist nicht ganz ungefaehrlich, besonders die Hauptstadt. Und nicht die Busreise ist gefaehrlich, aber das warten an der hiesigen Bushaltestelle ist nicht ohne Risiko fuer zwei weisse Backpacker mit all ihren Sachen. Neno schafft es zu handeln und fuer 80 Dollar geht es nach Jacmel. Mit einem vertrauenswuerdigen Fahrer, die Ladies im Tourismusbuero ueberzeugen sich hoechstpersoenlich von ihm, sehr nett von ihnen. Fuer die Strecke brauchen wir fast 3 Stunden. Es geht erst durch das Verkehrschaos der Hauptstadt. Wir haben schon vorher gelesen, dass Haiti keine funktionierende Muellabfuhr hat, und deswegen jeder Unrat einfach neben der Strasse liegt. Sieht ziemlich krass aus. Und unserer Fahrer bittet Neno, an manchen Strassen nicht aus dem Auto zu fotografieren, zu gefaehrlich. Jacmel dagegen gilt als sicher. Als Kuenstlerstadt, mit tollen Straenden. Uns gefaellt der Ort. Die Unterkunftsuche gestaltet sich aber als schwierig. Hier gibts nichts unter 100 US Dollar. Wir haben aber wieder Glueck. Das beste Hotel der Stadt hat gerade eroeffnet. Neno bietet an, Bilder fuer sie zu machen, im Gegenzug erhalten wir Rabatt. Auf einem seiner Streifzuege trifft Neno einen witzigen Kerl, der etwas englisch spricht und uns einen Adapter fuer die Steckdose organisieren kann. Solche Leute sind der Tueroeffner fuer Begegnungen mit den Einheimischen, wenn die Sprachbarriere zu gross ist. Und so werden wir am naechsten Tag zu einer Vodoo-Zeremonie eingeladen. Wir sind etwas skeptisch, aber die Neugier ist gross. Der Versammlungsort ist ein kleiner Platz in einem Hinterhof. Es gibt auch einen Altar, der Priester fuehrt uns herum. Nach und nach kommen immer mehr Leute. Die Frauen in Leggins oder Rock und T-Shirt verschwinden kurz hinter dem Haus und kommen in roter Tracht wieder zurueck. Am Rand des Platzes ist ein grosser schwarzer Stier an einem Strick angebunden und wir ahnen, dass er wohl geopfert wird. Die Musiker fangen an zu spielen. Ein paar Maenner nehmen eine Plastikflasche, in der Alkohol ist, und floessen sie dem Bullen ins Maul und in die Nuestern. Sie erklaeren mir, dass ein betrunkener Stier ruhiger ist, und sie nachher mit ihm durch das Viertel ziehen werden. Zuvor wird der Stier vom Priester gewaschen, mit Kalk gepudert und geschmueckt. Dann geht es nach draussen. Es sind ca. 40 Leute in der Prozession, viele Bewohner des Viertels warten draussen und fotografieren und filmen mit ihren Handys. Neno und ich sind die einzigen Weissen. Das hier ist keine Touristen-Inszenierung. Das ist echt. Es ist drueckend heiss. Der Priester trinkt und tanzt und weiht alle hundert Meter die Strasse oder zumindest scheint es so. Zurueck am Versammlungsort ist es jetzt ziemlich voll. Ich versuche, einen einigermassen ruhigen Platz zu ergattern. Mittlerweile ist es nicht nur heiss, es riecht auch nach dem Schweiss der Menschen um mich herum. Der Priester tanzt sich jetzt in Trance. Der Stier wurde an dem Pfahl in der Mitte angebunden. So eng, dass er den Kopf nicht bewegen kann, aber er dreht sich im Kreis, man merkt ihm an, dass er bereits sehr muede ist. Ich sehe, wie der Priester zwei Flaschen in der Hand haelt, Er wirkt wie betrunken und versucht, auf den Stier zu klettern. Zuvor schlaegt er eine Flasche auf seinen Kopf, sie zerbricht. Er scheint davon nix zu spueren. Als er mit einiger Hilfe von aussen auf dem Stier sitzt, versucht er die zweite Flasche auf dessen Kopf zu zerschlagen. Fehlanzeige. Dafuer beisst er jetzt von der zerbrochenen Flasche ab und kaut das kleine Stueck Glas. All das wird von einer johlenden Menschenmasse begleitet. Als naechstes nimmt er ein scharfes grosses Messes und schneidet, noch immer auf dem Bullen sitzend, dessen Ohrlaeppchen ab und schiebt sich das Fleisch in den Mund. Ein kurzer Blick zu Neno, wir haben genug gesehen. Wir schieben uns durch die Menschen und atmen auf der Strasse erstmal aus.
Abends ist es in Jacmel sehr finster. Kaum jemand hat Strom, nur die paar Hotels und Restaurants im Ort. Gleich bei unserem Hotel sitzen bei Einbruch der Dunkelheit einige Studenten, die mit ihren Buechern gekommen sind, um fuer die bevorstehenden Pruefungen zu lernen. Alle hier sind sehr freundlich, trotzdem ist die Armut und die Hoffnungslosigkeit in diesem Land zu spueren. Die chaotische politische Lage zwingt uns, einen Tag frueher als geplant nach Port-au-Prince zurueckzufahren. Es sind Demonstrationen geplant, es ist sogar davon die Rede, dass der Praesident umgebracht werden soll. Die einzige Strasse von Jacmel zur Hauptstadt koennte unter Umstaenden blockiert werden. Keine Gefahr fuer Touristen, aber um den Flug nicht zu verpassen, muessen wir uns leider von Jacmel verabschieden. Ohne die tollen Straende und den beruehmten Wasserfall dort gesehen zu haben. Manchmal geht halt nicht alles. Wir sehen keine Demonstrationen auf der Fahrt, sie sind noch in anderen Aussenbezirken der Hauptstadt. Eine Nacht bleiben wir also in Port-au-Prince. In einem Hotel nahe des Flughafens. Trotzdem verspassen wir den Flug. Auf die bloedeste Art und Weise. Wir sitzen naemlich direkt vor dem Gate. Der Flug wurde dreimal veschoben, Verspaetung. Leider wurde beim vierten Mal durchgesagt, dass das Boarding doch frueher ist. Nur leider verstehen wir die Ansagen ueber den Lautsprecher nicht. Und sehen unsere Maschine ohne uns starten. Ich will auf keinen Fall noch eine Nacht in Port-au-Prince verbringen. Die Hotels sind super teuer und die Demonstrationen werden immer heftiger. Wir haben Glueck im Unglueck und ergattern einen Flug am Nachmittag zurueck nach Fort Lauderdale. Dort verbringen wir einen Nacht, bevor es weiter geht nach Jamaika.